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  • AutorenbildHelmut Becker

Die horizontale und die vertikale Dimension

Gedanken von Pfarrer Helmut Becker aus Mannheim über 2. Könige 6, 8 - 23


Quelle: Pixabay


Elisa wird in Dotan von Rossen und Wagen und einem großen Heer umstellt. Der König von Aram hatte diese Streitmacht gezielt gegen Elisa geschickt. Der Prophet verriet die geheimsten Pläne des Feindes, so dass der König von Aram nichts gegen Israel ausrichten konnte. Als das Heer bei Nacht ankam, umstellten die Soldaten die Stadt. Elisa saß in der Falle. Es gab kein Entkommen. Und der Diener des Mannes Gottes (Gehasi, 2.Kö 4,12+25; 8,4) stand früh auf und trat heraus, und siehe, da lag ein Heer um die Stadt mit Rossen und Wagen. Da sprach sein Diener zu ihm: O weh, mein Herr! Was sollen wir nun tun?


Und dann kommt meine Lieblingsstelle: 16 Elisa sprach: Fürchte dich nicht, denn derer sind mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind! 17 Und Elisa betete und sprach: Herr, öffne ihm die Augen, dass er sehe! Da öffnete der Herr dem Diener die Augen, und er sah, und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her.


Hier wird die unsichtbare Welt Gottes für die Augen des Dieners sichtbar gemacht. Unsere Augen sind in der horizontalen Dimension gefangen. „Der Mensch sieht, was vor Augen ist“ (1. Sam 16,7). Elisa konnte offenbar auch die vertikale Dimension sehen. Er betete für seinen Diener und so wurden ihm die Augen für Gottes Wirklichkeit geöffnet.


Das erinnert mich an Jesus: Als er „das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). Jesus konnte auch in seiner Knechtsgestalt (Phil 2,7) die Beziehung der Menschen zu seinem himmlischen Vater sehen. Und was er sah, jammerte ihn. Er sah Schafe, die keinen Hirten haben. Jesus sah auch die vertikale Dimension.


Auch bei Paulus finden wir den Blick auf die vertikale Dimension. Er ermahnt die Gemeinde im Epheserbrief: „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen (horizontale Ebene), sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel (vertikale Ebene).“ (Eph 6,12)


Um die geistliche Not der Menschen (= vertikale Ebene) um mich herum sehen zu können, wünschte ich mir manchmal, dass Elisa für mich beten würde. Ich gehe im Supermarkt an Menschen vorüber und sehe nicht, ob sie einen Hirten haben oder nicht. Ich sehe, was vor meinen Augen ist. Gott sieht aber das Herz an.


Vor Jahren habe ich einen heftigen Streit zwischen zwei Mitarbeitern erleben müssen. Ich sah nur die Streitfragen, die horizontale Ebene. Ich erkannte nicht, dass der Streit auch eine vertikale Ebene hatte. Erst am Flurschaden und den negativen „Zufällen“ bemerkte ich später, dass wir es nicht nur mit Fleisch und Blut zu tun hatten. Das hat mich aufgeschreckt, weil ich blind für die vertikale Ebene war.


Du kannst zum Beispiel Recht haben (horizontale Ebene), aber trotzdem falsch liegen (vertikale Ebene), weil du selbstgerecht und lieblos bist. Auf der horizontalen Ebene hast du Recht. Du hast im Streit die Streitfragen gut analysiert und abgewogen, aber du warst auf der vertikalen Ebene blind und hast nicht gesehen, was da eigentlich passiert.


Der Widersacher ist ein Meister der Verführung. „Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts“ (2.Kor 11,14). Verführung geschieht nicht in Konfrontation. Der Verführer geht mit seinem Opfer einen gemeinsamen Weg. Er holt ihn ab. Er lässt ihn im Glauben, dass er Recht hat, dass es eine gute Sache ist.


Sven Findeisen hat uns Studenten die Verführung in einem Bild veranschaulicht: Wenn die Züge nach Hamburg und nach München den Kopfbahnhof von Stuttgart verlassen, fahren sie einige Zeit gemeinsam, nebeneinander, obwohl sie entgegengesetzte Ziele verfolgen. Erst langsam weichen sie voneinander ab.


Der Teufel zitiert sogar die Bibel, als er Jesus in der Wüste verführen will. Er holt ihn geistlich ab. Er kommt fromm daher. Er verstellt sich als Engel des Lichts. In der Offenbarung, Kapitel 13, können wir erkennen, dass der Teufel die Trinität nachäfft. Sogar seine „tödliche Wunde war heil geworden“ – Kreuz und Auferstehung wird nachgeäfft. Durch große Zeichen verführt er viele Menschen (V.14).


Paulus ermahnt die Christen in Ephesus, die geistliche Waffenrüstung Gottes anzulegen (Eph 6,10-18). Wer nur horizontal sieht, wird die feurigen Pfeile und die Verführung des Teufels nicht erkennen. Er wird ihm schutzlos ausgeliefert sein. Nur wenn ich die vertikale Dimension sehe, werde ich auch eine geistliche Waffenrüstung anlegen, um den Verführungen des Widersachers standzuhalten. Gottes unsichtbare Welt ist Realität, auch wenn unsere Augen sie nicht sehen. Die Gemeinde Jesu tut gut daran, mit der vertikalen Dimension Gottes zu rechnen und auf Gottes Gegenwart zu vertrauen. Jesus hat die Finsternis durchbrochen und den Feind auf Golgatha besiegt.


Wenn der nächste Konflikt auftaucht, wenn das nächste Gerücht seine Runde macht, wenn der Widersacher wieder verführen möchte, dann wäre es hilfreich, Gott zu bitten, dass er uns die Augen öffnet, damit wir erkennen, was da eigentlich vor sich geht und wir die geistliche Waffenrüstung Gottes anlegen.


Pfarrer Helmut Becker

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